Die Ortgies Pistolen
Die Geschichte der ehemaligen Erfurter Waffenhersteller ist unmittelbar miteinander verknüpft. Gerade deswegen möchte ich diese Seite so allgemein wie möglich halten.
-Werbeanzeige aus "Pistolenschießen in Notwehr" von Gerhard Bock, ca. 1920. -
Trotzdem zählen die Ortgies- Pistolen zu meinem bevorzugten Interessengebiet.
Das liegt vorallem an der sehr kurzen aber interessanten Geschichte zu diesen Pistolen.
In nur circa 5 Jahren wurden fast eine halbe Million dieser innovativen und formschönen Pistolen von zwei unterschiedlichen Herstellern produziert. Dabei wurden die Beschriftungen auf dem Verschluss insgesamt 6 mal verändert, so das man in Verbindung mit der Seriennummer sehr leicht fest stellen kann, wann ein bestimmtes, vorliegendes Exemplar gefertigt wurde.
Zudem besitzen die Ortgies Pistolen, bis auf wenige Stücke die speziell auf Behördenwunsch mit einer zusätzlichen Knopfsicherung abgeändert wurden, keine Schrauben. Sämtliche Teile wurden passgenau gefertigt und halten nur durch Stifte, Verstrebungen und Klammern.
Achtung!
Der nachfolgende Text ist bisher entweder eine Rohfassung oder besteht nur aus virtuellen Notizen.
Aktueller Stand 11/2020:
Die genauen Wechsel der Verschlussbeschriftungen mit den passenden Seriennummernbereichen, werden um die Zahlen, die ich bisher sammeln konnte ergänzt.
Die "Entwicklung" wird komplett umgeschrieben und die Patente um wichtige Fakten erweitert, das Kapitel "Verbot der Produktion" befindet sich in der ersten Rohfassung und muss noch ausgearbeitet werden. Des weiteren wird der Abdatz "Verwendung" noch weiter ausgearbeitet.
Entwicklung & Patente
Es ist nicht bekannt, wann genau Heinrich Ortgies begann, seine nach ihm benannten Pistolen zu konstruieren. Es wird aber vermutlich zu Beginn des Ersten Weltkrieges gewesen sein. In den meisten Publikationen zu diesem Thema wird erwähnt, das er zu dieser Zeit in Belgien arbeitete. Dafür spricht, das er seine ersten Patente in Lüttich anmeldete. Werner Limbrecht schreibt dagegen in seinem Buch "Erma & Feima - Berthold Geipel und seine Erfurter Waffenfabriken" auf Seite 7: "Nach Aussagen eines Verwandten mir gegenüber soll er bis Kriegsende in Frankreich tätig gewesen sein, vermutlich in der Waffenbranche."
Wie so vieles zu Heinrich Ortgies kann man diesbezüglich nur Vermutungen anstellen, da über sein Leben wenig bekannt ist.
( Eine kurze Biografie habe ich hier zusammengefasst )
Was jedoch sicher belegt ist, sind die vielen Patentanmeldungen seiner Erfindungen in dem Zeitraum von 1916 bis 1921.
Er patentierte seine Entwürfe in allen Ländern, in die die Pistolen vermutlich später auch exportiert werden sollten. So findet man neben Patenten für Deutschland auch welche für Belgien, Österreich, die Schweiz, England, den USA, Frankreich, Spanien und sogar Finnland.
Bisher konnte ich nur wenige Nummern der deutschen Patente vor 1918 raus finden. Das jeweilige Anmeldedatum dieser, habe ich den Prioritätsverweisen aus den ausländischen Patenten entnommen.
Das erste deutsche Patent reichte Heinrich Ortgies am 29. Juni 1916 ein. Es umfasst die Methode zur Demontage des Verschlusstückes.
( Belgien 272249 )
Kurz darauf reichte er zwei Weitere ein, die maßgeblich für den Erfolg seiner Pistolen verantwortlich waren. Dies war einmal das Patent für die "Sicherung von Selbstladepistolen" vom 03. Juli 1916
( Österreich 79155, Schweiz 97083, Belgien 272253), sowie für die "Laufbefestigung für Selbstladepistolen mittels eines am Lauf senkrecht zu seiner Achse vorgesehenen Zapfens" vom 04.Juli 1916. Letzteres wurde unter der Nummer 307635 am 24. September 1921 ausgegeben.
( Österreich 79153 )
Zitat Griffsicherung: " Die Erfindung betrifft eine Sicherung für Selbstladepistolen, welche durch den Druck der Handfläche gegen den Kolben ausgerückt wird, so daß die Waffe nur dann feuern kann, wenn sie zu diesem Zweck regelrecht erfasst wird. Diese auf die Abzugstange wirkende Sicherung ist außerdem so angeordnet, daß sie das hintere Widerlager der Schlagfeder bildet, so daß, selbst wenn der Schlagbolzen in die Spannrast eingestellt ist, die Schlagfeder entspannt ist und erst dann gespannt wird, wenn man die Waffe erfaßt und die Sicherung ausrückt. Da, solange die Waffe in Ruhe ist, der Schlagbolzen entspannt ist, ist ein zufälliges Losgehen mit voller Sicherheit vermieden."
-Skizze vom österreichischem Patent zur Laufbefestigung -
(AT000000079153B)
-Skizze vom österreichischem Patent zur Laufbefestigung -
(AT000000079153B)
Nur einen Tag später, am 05. Juli 1916 ließ er sich seinen "Magazinhalter für Selbstladepistolen" patentieren.
( Österreich, etc )
Am 09. Juli 1916 folgte dann schon das Patent für die "Abzugstange für Feuerwaffen" unter der Nummer 307698.
(Österreich 79155, USA ... ) Darin heißt es: "Die Erfindung betrifft eine Abzugstange für Feuerwaffen, und zwar vornehmlich für Selbstladepistolen, deren kennzeichnendes Merkmal darin liegt, daß sie gleichzeitig als Führung für die Patronen sowie als Auswerfer dient. Zu diesem Zweck ist die Abzugstange bis oder ungefähr bis zur Seelenachse verbreitert und mit einem Anschlag versehen, gegen den die abgeschossenen Patrone beim Ausziehen trifft. … "
Schon kurz darauf, am 11. Juli, reichte er das Patent für "Selbstlader mit durch die Hin,- und Herbewegung des Verschlußstückes betätigter Kupplung zwischen Abzug und Abzugstange" ein. (Österreich )
In Belgien meldete er am 10. Mai 1917 zwei weitere Patente an, die allerdings nicht in der finalen Produktionsversion der Pistolen zu finden sind.
So entwarf er eine Magazinsicherheit, die unter der Nummer 272254 patentiert wurde, sowie, seine vermutlich erste Methode zum Anbringen der Griffschalen unter der Nummer 272252.
Am 08. Februar 1918 reichte er in Deutschland eine Erweiterung zu Sicherung ein. (USA... , Finnland ... ) DIese betrifft ...
Am 27. Juni 1918 folgte unter der Nummer 349063 das Nächste. (Österreich 79211, Schweiz 97083, England 146423, USA 1382313)
Das Patent zur Methode der Griffschalenbefestigung reichte er am 27. September 1918 unter der Nummer 319693 ein. (England 146424, USA 1399224)
- Skizze aus dem deutschen Patent zur Griffschalenbefestigung -
(DE000000319693A)
In etwa zwei Jahre später, am 03.Juni 1920, folgte die Anmeldung für das Patent "Vorholfeder / Lauf" unter der Nummer 347573 (Österreich 79151,
Das letzte deutsche Patent, das Heinrich Ortgies am 09. April 1921 beantragte, umfasste die Magazine seiner Pistolen. Unter dem Titel "Patronenmagazin" bekam es die Nummer 393629. (Österreich 93274, England 178102, USA 1437543, Frankreich 549457)
Er meldete in Spanien ebenfalls eine Reihe von Patenten an. Leider habe ich keine Kopien von diesen und kann sie nur anhand der Titel nicht vollständig zuordnen. Am 11. März 1919 meldete er insgesamt 4 Stück an, die Nummer 69269 mit dem übersetztem Titel "Verbesserung bei einzelnen Schußwaffen", die Nummer 69270 für die Laufbefestigung, die Nummer 69271 mit dem Titel "Verbesserung bei automatischen Ladepistolen", sowie die 69272 die vermutlich das Anbringen der Griffschalen beschreibt. Ein weiteres Patent meldete er am 29. März 1922 unter der Nummer 81225 an. Das späte Datum, sowie der übersetzte Titel "Lagersystem für Patronen in Schußwaffen" deuten auf das Patent für seine Patronenmagazine.
Die Deutsche Werke AG ließ sich ebenfalls eine Erfindung, passend zu den Ortgies Pistolen patentieren. Sie entwickelten einen Einstecklauf, dessen Patent unter der Nummer 389606 am 11. Januar 1922 eingereicht wurde.
Einige Autoren behaupten, dass die FN Browning Modell 1910 als Vorbild diente. Sogar im Wikipediaartikel über die Pistolen Ortgie`s kann man diese Aussage lesen. Es mag sein, das sich Karl August Brauning, der das Design der Ortgiespistolen entworfen haben soll, grob an der FN 1910 orientierte. Und dies war zu jener Zeit völlig normal, da die FN 1910 ein bahnbrechender Erfolg war und fast jede mitteleuropäische Firma, ihre eigene, abgeänderte Version davon auf dem Markt brachte. Jedoch unterscheiden sich die beiden Pistolen in der Mechanik, sowie im detailiertem Aussehen. (ich werde versuchen einen genauen Vergleich beider Pistolen zu erstellen - dies wird aber erst in unbestimmter Zukunft passieren.)
Brauning war ein deutscher Büchsenmacher, der wie Ortgies, ebenfalls in Belgien arbeitete.
Er arbeitete für die Fabrique Nationale Herstal (die die eben genannte FN 1910 produzierte), bevor er in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderte.
In dem Nachlass von P.B.W. Kersten, der wohl einer der wichtigsten Importeure für Ortgiespistolen in die Niederlande war, wurde ein Ortgies Prototyp gefunden, der vermutlich vorher Brauning gehört haben soll.
Dieser Prototyp weist eine Reihe von spezifischen Merkmalen auf. So hat diese Waffe, mit der Seriennummer 01, einen kürzeren Lauf als später produzierte Stücke, sowie eine funktionsfähige Magazinsicherung.
Die Griffschalen haben ebenfalls noch kein Emblem.
Diese Pistole befindet sich heute in der Sammlung von Nico van Gijn.
Produktion unter Heinrich Ortgies
Heinrich Ortgies lässt sich offiziell am 23. April 1919 in Erfurt nieder.
Vermutlich gründete er noch im selben Jahr seine Firma auf dem Gelände der ehemaligen königlich preußischen Gewehrfabrik Erfurt.
In den Adressbüchern Erfurts aus den Jahren 1920 und 21 findet man seine Firma unter der Anschrift Mainzerhofplatz 13. Das "&Co." seiner Firma bezieht sich dabei auf seine beiden Geschäftspartner Paul Ennig und Karl Paßmann.
Paßmann war gleichzeitig auch sein Schwiegersohn.
Vorweg muss gesagt werden, das bisher noch keine veröffentlichten Produktionszahlen, weder von Ortgies & Co., noch von der Deutsche Werke AG., gefunden wurden.
Alle bisher erfassten Daten stammen von Sammlern und Sachkundigen. Diese Zahlen sind jedoch nur grobe Schätzungen, die Aufgrund der Seriennummern ermittelt wurden und sich möglicherweise auch um bis zu 1000 Stellen verschieben können.
Genauso werden die einzelnen Verschlussadressen von Autor zu Autor unterschiedlich katalogisiert. Die meisten richten sich nach der Sortierung von Donald W. Koelliker aus dem Buch Gun Collector Digest. Dieser fasste die ersten beiden Varinten unter der Produktion von Ortgies als Eine zusammen. Ich persönlich, werde jede als eine Eigenständige auflisten.
- Werbeanzeige auf einer Rückerstattungskarte der Firma Carl Bauer & Co. -
Bei der Ersten Version der Ortgies Pistolen ist der Schriftzug
ORTGIES & Co - ERFURT
ORTGIE'S PATENT
auf der linken Seite des Verschlusses zu lesen. Auf der rechten Seite befinden sich die Beschusszeichen, sowie die Kaliberangabe auf dem Patronenlager. Heinrich Ortgies selbst produzierte nur Pistolen im Kaliber 7,65 mm Browning. Jedoch war durch den Wechsel des Laufes auch ein verschießen von 9 mm möglich. Aus diesem Grund findet man auch beide Kaliberangaben auf dem Magazin. Das 7,65 mm steht auf der linken, das 9 mm auf der rechten Seite. Darüber ist auf beiden Seiten das Logo von Ortgies zu finden.
Die Seriennummer der hier gezeigten Pistole liegt bei ca 1580. Die Griffschalen wurden vermutlich später einmal erneuert.
Danach wurde der Schrifttyp von einer geraden zu einer kursiven Schreibweise geändert die nicht mehr nur aus Großbuchstaben besteht. Die kleinste Seriennummer mit dieser Variante, die mir bisher bekannt ist, ist die Nummer 3642. Von der ersten Variante ist die Nummer 2322 die Höhste, die ich bisher gefunden habe. Ich vermute, das bei ca. 2500 - 3000 der Wechsel des Schrifttypus statt gefunden hat.
Dieses Exemplar zeigt die zweite Form der Firmierung auf dem Verschluß. Die Seriennummer liegt bei ungefähr 12250.
Produktion unter der Deutschen Werke A.G. Erfurt
Ab 1922 findet man im Adressbuch die Firma Ortgies nicht mehr unter der Adresse Mainzerhofplatz 13, sondern unter seiner privaten Wohnanschrift in der Cyriastraße 30.
Zu diesem Zeitpunkt, der in einen ungefähren Seriennummernbereich von 15000 liegt, wird die Deutsche Werke AG die Produktion der Pistolen übernommen haben.
Da die Deutsche Werke AG ihren Hauptsitz in Berlin hatte, stand nun
Ortgies Patent
Deutsche Werke Aktiengesellschaft Berlin
auf der linken Seite. Die höchste Seriennummer der vorherigen Version, die mir bekannt ist, ist die 16329. Die frühste Seriennummer mit der Berliner Adresse, die 15894. Das Besondere an diesen Zwei'n, ist die Tatsache, das auf beiden die Buchstaben "O.P.Hbg" mit einer jeweilig zugehörigen Nummer eingraviert wurde. Man kann also davon ausgehen, dass der Wechsel bei einem ungefähren Nummernraum um die 16000 (+/- 500) statt fand. Und ein nicht unwesentlicher Teil davon, später zur Ordnungspolizei kam. Aber dazu dann mehr im Kapitel "Verwendung".
Text wird demnächst hinzugefügt ...
© Hermann Historica
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Das Berlin fiel später weg und wurde durch ein "Werk Erfurt" ersetzt.
So das ab der ungefähren Seriennummer von ca. 35000 dann
Ortgies Patent
Deutsche Werke Aktiengesellschaft
Werk Erfurt
auf dem Verschluss stand.
Ab dieser Firmierung muss ebenfalls mit der Produktion der kleineren Ortgies - Pistolen im Kaliber 6,35 mm Browning begonnen worden sein, da bisher kein Exemplar mit einer früheren Bezeichnung bekannt ist. Ebenfalls sprechen die Seriennummern für diese These. Während die 7,65,- und 9 mm Br. Pistolen eine gemeinsame, fortlaufende Seriennummernreihe hatten, bekam die 6,35'er ihre Eigene. Je nach Quelle, bewegt sich diese, in dieser Adressversion, in einem Bereich von > 100 bis 6,- oder 8000. Ich persönlich sehe die Grenze jedoch eher bei ca 4000. Das liegt daran, das ich bisher in dieser Variante noch keine höhere Seriennummer als die 2640 gesehen habe und die niedrigste, mir bekannte, in der nachfolgenden Version bisher bei 4483 liegt.
Text wird demnächst hinzugefügt ...
© Hermann Historica
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Mit dieser Verschlussbezeichnung kam bei den 7,65 und 9 mm Browning Pistolen nun auch erstmals das Logo der Deutsche Werke AG auf die Pistolen. Sie behielten die Tradition der Medaillons in den Griffschalen bei, jedoch war jetzt auf diesen das Logo der Deutschen Werke AG. zu sehen. Es stellt ein stilisiertes Fabelwesen in Form einer Katze dar, die sich zu einem großem "D" formt. Dieses D findet sich auf allen Produkten der Deutsche Werke Aktiengesellschaft wieder, wobei jedes Werk dabei seine eigene Variante hatte.
Allerdings ist hier auch wichtig zu erwähnen, das dies nicht von einer Pistole zur nächsten passierte, sondern beide Grifflogoversionen montiert wurden. Vermutlich gab es einen reichlichen Bestand an Griffschalen den man erst aufbrauchen wollte. So findet man auch in der nächsten Verschluss - Textänderung noch etliche Pistolen mit den frühen Griffschalenemblemen.
Diese Änderung lautete nun
DEUTSCHE WERKE AKTIENGESELLSCHAFT WERK ERFURT
ORTGIES PATENT
und war auf den 7,65 und 9 mm Ortgies ungefähr in einem Seriennummernbereich von 55000 bis circa 90000 zu lesen. Bei den 6,35'ern liegt dieser Bereich zwischen 4000 bis 27000.
Die hier gezeigte Pistole hat eine ungefähre Seriennummer von 7670. Das Magazin wurde durch eines der späteren Produktionslinie ersetzt.
Der Stempel "Unbrauchbar" weist diese als EU - Dekowaffe aus.
Der größte Anteil der Ortgiespistolen hat die Beschriftung
DEUTSCHE WERKE WERK ERFURT
auf dem Verschlussstück. Der Schriftzug wurde dabei durch das Logo der Deutsche Werke A.G. geteilt. Das "Ortgies Patent" befindet sich bei dieser Variante unter dem Auswerfer auf der rechten Seite des Verschlusses.
Bei den 7,65 und 9 mm Pistolen gehen die Serienummerzahlen von circa 78000 bis 250000, bei den 6,35 mm von ca. 27000 bis 183000. Alleine diese Zahlen verdeutlichen wie in kurzer Zeit die Produktion der Stückzahlen sehr hoch getrieben wurde.
Hier die kleinere Ortgies im Kaliber 6,35 mm Br. Die Seriennummer liegt im Bereich 94580 und über den Zahlen ist gesondert der Vermerk "Germany" gestempelt.
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Eine weitere Verschlussversion lautet
ORTGIES' PATENT
D.W.A.E
Man findet diese Beschriftung ebenfalls auf der linken Verschlussseite der Pistolen. Wobei das D.W.A.E etwas dicker als der Rest gestempelt ist.
Ed Buffaloe und Stefan Klein beschrieben sie als die Ersten in ihrer Abhandlung "The Ortgies Pistol / Model 1920". Sie klassifizierten diese aber nicht als selbst stehende, sondern als eine Untervariante der 6. Adressversion. Die Produktion beider Beschriftungsarten lief vermutlich über einen geraumen Zeitraum parallel, so das sie sich einen gewissen Seriennummernbereich teilen. Die Seriennummern, dieser recht selten zu findenen Ausführung, liegen bei den kleinen Ortgies Pistolen im Kaliber 6,35 mm Browning wohl in einem Bereich von ca. 32800 bis 59000. Die meisten davon findet man anscheinend zwischen 54000 bis 59000.
Im selben Artikel wird auch auf eine Ortgies Pistole im Kaliber 7,65 mm Browning mit dieser Art des Schrifttypus verwiesen. Wobei bei dieser auf der linken Seite des Verschlusses D.W.A.E. und auf der rechten Seite ORTGIES PATENT steht. Sie trägt die Seriennummer 117810.
Stefan Klein übermittelte mir freundlicherweise noch eine weitere Seriennummer einer "D.W.A.E. Ortgies", die sich mittlerweile in seinem Besitz befindet. Diese ist brüniert, trägt die Seriennummer 81042 und das ORTGIES PATENT und D.W.A.E stehen auf der linken Seite untereinander. Vielen Dank nochmal an dieser Stelle.
Bei Hermann Historica wurde ein Exemplar im Kaliber 6,35 mm Br. mit der Seriennummer 32601, inkl. passendem, schwarzem Holster zur Auktion angeboten. Diese Pistole hat den üblichen Nitro - Beschuss der Weimarer Rebuplik und die späteren Nussbaumgriffschalen mit Deutsche Werke AG Emblem.
( Los 2350 )
© Hermann Historica
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Insgesamt müssen in den knapp fünf Jahren um die 440.000 Pistolen hergestellt wurden sein. Die höchste Seriennummer, die ich bisher ermittelt konnte, ist die Nummer 257555. Diese gehört zu einer nicht nummerngleichen, brünierten Ortgies im Kaliber 7,65 mm Browning. Vom kleineren Modell in 6,35 mm Browning konnte ich die Höhste, bei einer werksvernickelten fest stellen. Diese hat zudem gelb angelassene Bedienteile und trägt die Nummer 182819.
Verwendung
Deutschland
Der Großteil der verkauften Pistolen wurde privat eingesetzt, zum Selbstschutz getragen oder zum sportlichen Schießen verwendet.
So steht z.B. in den späteren Bedienungsanleitungen folgendes:
> Mit der ORTGIES -PISTOLE wurde gewonnen:
(gebrauchsmäßige Schnellfeuerschießen)
1922 (bisher)
1. Preis: Hauptschießen des "Schiesvereins deutscher Jäger"
1. Preis: Meisterschaftsschießen des "Schiessportkartells"
1.Preis: Schießen des
"Allgemeinen Deutschen Jagschutz-Vereins"
1.Preis: Schießen des "Jagdklub Diane"
daneben viele andere Preise.
Die Ortgies - Pistole wird somit auch als eine ganz vorzügliche Sportwaffe geschätzt. <
Doch auch eine nicht gerade kleine Anzahl von deutschen Behörden nutzten die schlanken Ortgies Pistolen.
So findet man im Buch "Dienstwaffen der deutschen Polizei und Gendarmerie - Weimarer Republik 1919 - 1933" von Horst Friedrich eine Rechnung der Deutsche Werke AG Erfurt an das braunschweigerische Innenministerium für 250 gelieferte Pistolen im Kaliber 7,65 mm Browning. Da die Rechnung einen Stempel von November 1923 hat, muss es sich dabei um Stücke aus den letzten Produktionstagen handeln.
Die Pistolen selbst wurden am Griffstück, auf der Griffvorderseite mit B.S. für Braunschweig - Schutzpolizei und einer zugehörigen Waffennummer gestempelt.
In ähnlicher Art wurden auch die Ortgies Pistolen der Kriminalpolizei Berlin gestempelt. Hier jedoch mit K.B. und stempelkundetypisch verkleinerter Waffennummer. Meine Recherchen zur Verwendung der Ortgies Pistolen bei Polizeieinheiten von Berlin und Hamburg führten ins Leere und ich ging lange davon aus, das diese dort nie verwendet wurden.
Eine Behörde, bei der die Verwendung der Ortgies Pistolen besonders heraus sticht, ist der Reichswasserschutz. Denn diese waren die Einzigen, die neben den bei Behörden standartmäßig verwendeten 7,65 mm Br. Pistolen, auch etliche in 9 mm Br. nutzten. Die Kennung dieser Pistolen befindet sich ebenfalls auf der Vorderseite des Griffstückes, zwischen den Griffschalen. Reichswasserschutz ist hierbei mit RWS abgekürzt.
Ebenfalls sehr interessant ist der Stempel der Reichsbahn - Direktion Magdeburg. Hierbei ist das kleine g außerhalb der Reihe versetzt gestempelt.
- Kennzeichnung der Reichsbahn - Direktion Magdeburg -
(© pdgdolch)
Eine Behörde, die ihre Inventarnummern bei Pistolen nicht am Griffstück, sondern auf dem Verschluss angebracht hat, war die Reichsfinanzverwaltung. Bei diesen wurden auf der rechten Verschlussseite groß die Buchstaben R.F.V. und eine zugehörige Waffennummer gestempelt.
_ Schreiben Sauerfan MFF_
----- verschlungenes BS - Vermutung für Bahnschutz
Zusätzlich haben diese noch eine Sicherung für den Verschluss. Um diesen umzusetzen wurden die Griffschalen mit Schrauben fixiert und so die Handballensicherung blockiert.
Eine weiterere interessante Verschlusskennzeichnung führt Donald W. Koelliker in Gun Collector Digest auf. Dort beschreibt er ein Schnittmodell mit einer eingravierten Kennzeichnung auf der rechten Verschlussseite. Diese lautet "O. P. Hbg". Durch die Abänderung fehlt leider die eigentlich zugehörige Zahl, die bis zu drei Stellen haben könnte. Die Seriennummer dieser Pistole lautet 15894 und er erwähnt eine weitere mit der Nummer 13830, auf der die Kennzeichnung "O. P. Hbg 931" angebracht wurde. Die hier gezeigte Ortgies hat die Seriennummer 15954 und genau wie die von Koelliker, ebenfalls die Berliner Verschlussadresse. Er vermutet, das "Hbg" für Hamburg steht und das Schnittmodell als Ausbildungswaffe zur Hamburger Polizei oder als Lehrmodell zu einem Büchsenmacher kam. Dementsprechend liegt zunächst die Vermutung nahe, das die Ortgiespistolen bei der Hamburger Ordnungspolizei geführt wurden.
- Kennzeichnung O.P. Hbg. N. 9 -
(© IWM FIR 949)
Auf der Auktionsplattform liveauctioneer.com wurde unter dem Lot 8384 eine ähnliche Ortgies angeboten. Diese besitzt, im Gegensatz zu den Anderen den zweiten Beschriftungstyp des Verschlusses und die Seriennummer 16329. Auf der rechten Verschlussseite dieser Pistole sind die Buchstaben "O.P. Hbg. 598" eingraviert. Zusätzlich wurde das Griffemblem auf dieser Seite noch durch ein Schwarzes mit SS Runen ersetzt.
Laut Beschreibung soll diese Pistole Alfred Wünnenberg gehört haben. Dieser war ein deutscher Offizier und im Drittem Reich zuletzt als SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS und Polizei tätig. Auf einem Zettel, der bei dieser Auktion zu finden ist, wird das O.P. Hbg als Ordnungspolizei Hauptbahngesellschaft aufgeschlüsselt. Welche Theorie zu diesen Inventarzeichen nun stimmt, konnte bisher noch nicht einwandfrei geklärt werden.
Während des zweiten Weltkrieges kamen die Ortgies Pistolen ebenfalls an der Front zum Einsatz.
So überreichte Elliot Roosevelt, der selbst im Krieg in der US Army Air Forces diente, seinem Vater, Präsident Frank D. Roosevelt eine Ortgies Pistole im Kaliber 6,35 mm Browning als Geschenk, welche einem gefangen genommen Offizier abgenommen wurde.
Diese hat die Seriennummer 22331, die 5 Version der Verschlussbezeichnung und Griffschalen mit dem frühem HO Monogramm.
( FDR Libary Museum Collection, MO 1943.21.9)
Desweiteren sind auch mehrere Einträge in Soldbüchern bekannt. In manchen wurde die Ortgies gerne als Pistole "D" eingetragen. Die Erklärung dafür ist recht simpel. Die spätere Variante unter der Produktion der Deutsche Werke AG. hatte das Logo dieser auf dem Verschluss. Für den ein oder anderen nicht so waffenkundigen Soldaten war die Pistole so vielleicht leichter zu beschreiben.
- Eintrag in einem Soldbuch -
( © DasBrot )
Auch diese wurden alle privat besorgt. Eine kleine Anzahl an Ortgies Pistolen wurden jedoch auch offiziell vom Militär verteilt.
Am 05.12.1935 veröffentlichte die
"Allgemeinen Heeresmitteilungen" folgende Verfügung des OHK:
564. Pistolen für Kriegs- und Oberkriegsgerichte
Die Kriegs und Oberkriegsgerichte werden mit je 1 Ortgies - Pistole (7,65) mit Tasche und 16 Schuß Munition zur Bewaffnung des diensthabenden Heeresjustizwachmeisters ausgestattet.
Pistolen und Munition sind bei der
Heeresfeldzeugmeisterei anzufordern.
Der Oberbefehlshaber des Heeres
26.11.35 AHA/In 2 (III)
"Die Ortgies - Pistole von Eva Braun"
Am 01.12.2012 wurde auf der Auktionsplattform icollector.com unter dem Lot 1502 eine Ortgies Pistole versteigert. Allerdings nicht eine x beliebige, sondern die persönliche Ortgies von Eva Braun. Diese brachte einen Erlös von 30000 USD.
Laut der Auktionsbeschreibung soll der Captain a.D. Showalter, der zu der damaligen Zeit noch
1st Lieutenant war, 1945 in München stationiert gewesen sein. Er war mit der Überwachung der Säuberung von übrig gebliebenen Kriegsmaterial in und um München zuständig. Und zudem mit dem damaligen Polizeichef von München befreundet. Dieser Polizeichef soll ihm regelmäßig den Zugang zu den Aservatenräumen für beschlagnahmte Waffen gewährt haben. Dort erhielt Showalter die Ortgies von Eva Braun, die der Polizeichef persönlich aus der Münchener Wohnung von Eva Braun entfernt haben soll.
Diese Historie soll durch Begleitdokumente, die Showalter selbst verfasst und unterzeichnet hat, gefestigt werden. Er vermachte die Pistole später seiner Tochter, die diese dann im Jahr 1997 verkaufte.
Bei der Ortgies Pistole selbst, handelt es sich um das kleine Modell im Kaliber 6,35 mm Browning. Sie hat die Seriennummer 42668, die späte einzeilige Verschlussbeschriftung und soll laut Auktionstext im Jahr 1939 produziert wurden sein. Diese Annahme stammt von einer, bzw. zwei eingeschlagenen Zahlen, die sich hinten, oberhalb des Griffrückens, auf der Unterseite des Rahmens befindet. Diese Art der Bestempelung habe ich bei sehr vielen 6,35 mm Ortgies Pistolen gesehen. Und ich vermute das es sich bei diesen um firmeninterne Abnahmestempel handelt.
- die Ortgies von Eva Braun -
(Bildquelle: © icollector.com)
In die rechte Seite des Verschlusses, direkt vor der standartmäßigen Beschriftung "Ortgies Patent" wurde eine zirka 1 zoll lange Goldleiste eingelassen. Diese weißt auf der linken Seite noch deutliche Bearbeitungsspuren vom unterschneiden, einschlagen und nachpolieren auf. Auf der Leiste selbst, wurde im Uhrmacherstil in römischer Schrift EVA BRAUN per Hand eingraviert.
Durch diese Schlichtheit unterscheidet sich diese Pistole deutlich von anderen Geschenkwaffen des Dritten Reiches, die meist vergoldet, mit Elfenbeingriffschalen und aufwendigen Gravuren geschmückt wurden. Solch eine Pistole, die ebenfalls Eva Braun gehört haben soll, findet man im Historic Auto Attractions Museum in Roscoe,Illinois. Bei
dieser handelt es sich um eine Walther PP im Kaliber 7,65 mm Browning aus Zella Mehlis. Auf dieser wurde, neben den Initalien "EB", über die ganze Oberfläche ein verspieltes, florales Muster eingraviert.
Es ist fraglich ob die versteigerte Ortgies Pistole wirklich aus den Besitztümern Fräulein Braun's stammt, oder ob man, ähnlich der Tagebücher Adolf Hitlers, mit ein wenig Aufwand, aus etwas recht günstigem, viel Geld raus schlagen wollte. Und so ist, wie bei fast allen kostspieligen Sammelobjekten, die Geschichte dahinter, meist reine Glaubenssache.
Export
Die wohl berühmteste Person die eine Ortgies benutze war der erste Staatsfeind Nummer 1 der USA. Der Bankräuber John Dillinger hatte immer eine kleine Taschenpistole als Back up Waffe dabei. Bei seinem sehr umfangreichen Waffenarsenal, welches bis vor ein paar Jahren noch im National Museum of Crime & Punishment ausgestellt war, befand sich auch eine Ortgies Pistole.
-Anzeige aus einem Katalog der Firma Hibbard, Spencer, Bartlett & Co. -
Dies ist gar nicht so verwunderlich, denn ein Großteil der Pistolen und Gewehre der Deutschen Werke AG wurden nach Amerika exportiert.
- Anzeige aus einem Katalog der Firma Janney, Semple, Hill & Co. -
Doch auch in andere Länder wurden die Pistolen geliefert.
So findet man immer mal wieder Beschusszeichen aus Wien. Diese wurden auf der linken Verschlussseite oberhalb des Hersteller -Schriftzuges angebracht. Mir sind bisher vor allem solche aus den Jahrgängen 1925 - 27 auf den kleineren 6,35'ern bekannt.
Die Wiener Polizei wurde wohl nach dem Zweiten Weltkrieg mit alten Beständen von Wehrmacht und Polizeibehörden ausgerüstet. In den Jahren von 1954 bis 1969 waren insgesamt 86 Ortgies Pistolen im Kaliber 7,65 mm Browning für den Wiener Polizeidienst registriert. Und auch die Pistolen des kleineren Kalibers 6,35 mm wurden anscheinend, von der Wiener Kriminalpolizei, geführt. Diese Waffen verfügen jedoch über keine Inventarstempel und können nur anhand der Seriennummern belegt werden.
Für die Handhabung brachte die Wiener Polizei extra eine Art Anleitung heraus. Diese lautete: "Anweisung für die Handhabung der Pistole Ortgies (D)".
Eine weitere, interessante Bestempelung ist ein SA in einem Viereck. Dieser steht für "Suomen Armeija", also für die finnische Armee.
Diese Pistolen wurden wegen fehlender Feldtauglichkeit ausgemustert und durch Gefängnispersonal weiter verwendet. Während des Zweiten Weltkrieges gelangten die Ortgies Pistolen nochmal kurzzeitig in den Dienst der Armee.
Die Tschechische Armee verwendete ebenfalls Ortgies Pistolen. Neben den Beschusszeichen, sowie Inventarstempeln geht das auch aus Dokumenten hervor die im Militärischen Zentralarchiv liegen. So liegen im Hauptquartier der MNO, 1. Abteilung, 1938 im Karton Nr. 278 zwei Dokumente, die den Einsatz von Ortgies Pistolen belegen.
So wurden diese von zivilen Wächtern von Militärfabriken (Sign. 89 11/1), sowie beim bewachten Transport von Brennstoffen (Sign. 89 11/5) geführt.
Der Großteil der Ortgies Pistolen, die durch die tschechesslowakischen Streitkräften geordet wurden, haben die Berliner Verschlussadresse. Die Seriennummern dieser liegen in einem Bereich von 22000 bis 33650. Militärisch abgenommen wurden diese in den Jahren 1922 und 24.
Anscheinend erfolgte kurz darauf nochmal eine Bestellung. Denn mit der darauf folgenden dreizeiligen Verschlussbeschriftung finden sich ebenfalls Pistolen, die tchechische Militärabnahmen von 1924 haben. Die Seriennummern dieser liegen in einem Bereich von 41350 bis 44550.
Ein weiteres europäisches Land, welches Ortgies Pistolen unter seinem Dienst stellte, war die Niederlande.
So kann man auf den Pistolen, den Wahlspruch der Niederländer "Je Maintiendrai", auf der rechten Seite des Verschlusses lesen. Zudem besitzen diese nicht die typischen Griffmedaillions, sondern konzentrische Kreise statt dem Logo.
In der Schweiz rüstete die Stadt Winterthur 1927 ihre Polizei mit Ortgies Pistolen im Kaliber 6,35 mm Browning aus und schaffte so die erste einheitliche Bewaffnung dieser. Sie wurden in schwarzen Lederetuis mit Deckklappe und Lederschlaufe getragen, bis sie 1939 von der Walther PPK abgelöst wurden.
Verbot der Produktion
Oftmals wird das Ende der Produktion damit begründet, daß durch den Wechsel des Laufes, ein Umrüsten auf 9 mmk möglich wäre. Dieses Kaliber durfte nach dem Erstem Weltkrieg in Deutschland von Militär und Behörden wohl nicht verwendet werden. (Jedoch gab es wohl auch Ausnahmen, was man z.B. anhand der Bewaffnung des Reichswasserschutzes sieht.)
Mag dies zum Teil also stimmen, betraf das Verbot der Produktion in der Deutsche Werke AG. jedoch nicht nur die Pistolen, sondern auch die Tesching - Gewehre, Schrotflinten und Munition.
Ebenso richteten sich die Verfügungen nicht nur gegen die Waffenproduktion des Erfurter Werkes.
Auch die Werke in Spandau, Haselhorst und Wolfgang bei Hanau waren davon betroffen. So sollten in Spandau, in der ehemaligen Artilleriewerkstatt der Schornstein des Gebäudes 19, und im ehemaligen Feuerwerkslaboratorium alle Magazine für Pulver und Zündhütchen, abgerissen werden. Die zerstörte Generatorenanlage durfte nicht wieder aufgebaut, und auch keine neuen Generatoren aufgestellt werden. Allgemein durften keine neuen Maschinen angeschafft werden. Sowie ein Großteil der Gebäude zurück oder umgebaut, und leerstehende Lagerräume abgerissen werden.
In Wolfgang sah es Ähnlich aus. Viele ehemalige Fabrikhallen zur Pulvergewinnung und Verarbeitung sollten abgerissen werden. Noch vorhandene Geräte und Maschinen, die man für andere Zwecke hätte nutzen können, sollten zerstört werden. Des Weiteren wurde untersagt neue Fertigungsfelder, wie z.B. die Produktion von Kunstleder oder Schmiergel auf zu nehmen.
Speziell in Erfurt sah die Anordnung Col. Ch. 4279. vom 19. September 1921 vor,
dass die Anzahl der Maschinen auf 2850 verringert werden musste.
Die Anordnung Nollet vom 28. September 1921
3. Sekt. Nr. 6916 a an Ausw. Amt lautete:
"Die Herstellung von Waffen und Munition für Jagd und Sport in den ehemaligen Heereswerkstätten wird untersagt. Allerspätestens am 1. April 1922 muß die Herstellung von Waffen und Munition für Jagd und Sport, aller Kugelbüchsen, Schrotflinten, Pistolen und Revolver endgültig aufgegeben sein."
Die Interalliierte Militär - Kontrollkommission stützt sich dabei auf den Versailler Vertrag, der eine Entmilitarisierung Deutschlands beabsichtigte und in dessen Art. 168 und 169 die Waffenproduktion geregelt ist.
Natürlich waren die eben erwähnten Handfeuerwaffen nicht für das Militär, sondern für Sport und Jagd bestimmt. Jedoch mag der IMKK stark aufgestoßen sein, dass sich dieser Teil der Deutsche Werke AG. sozusagen immer noch unter Obhut der deutschen Regierung befand.
Dieses Verbot traf das Werk sehr schwer, denn die Waffenerzeugnisse waren die Haupteinnahmequelle der DWAG Erfurt.
Von den 3142 Arbeitnehmern der Deutsche Werke AG. Erfurt, waren zu dieser Zeit alleine schon 1700 von 2122 Fabrikarbeiter nur mit der Waffenproduktion beschäftigt. Ebenso war ein nicht unwesentlicher Teil der restlichen 1020 Arbeiter und Angestellten durch die erforderlichen Nebentätigkeiten von dieser abhängig. Die restlichen Tätigungsfelder (das Instandsetzen von Lokomotiven und Güterwagons und Herstellen von Feilen) hätten nicht ausgereicht um alle Arbeitsverhältnisse erhalten zu können. Stichtag zur Einstellung der Waffen,- und Munitionserzeugung war der 31. März 1922. In der Anordnung heißt es weiter:
"Von diesem Tage ab müssen die Werke die verbotenen Fabrikationen durch unzweifelhaft reine Handelsfabrikationen ersetzt haben. Das Programm für diese letzteren, ebenso wie ein Plan für die Ausnutzung der Maschinen bedarf der Genehmigung der Interalliierten Militär - Kontroll - Kommission vor dem 1. Januar 1922."
Das Erfurter Werk fusionierte schlussendlich 1923 mit der AEG Berlin und stellte ab 1924 auf dem Gelände der ehemaligen Gewehrfabrik Schreibmaschinen her.
1926 wird die Firma Ortgies noch in den Adressbuch der Stadt erwähnt, allerdings nicht mehr unter der Rubrik der Waffenbranche.
Nachbauten
Berthold Geipel war Angestellter der Deutsche Werke AG. Erfurt, bevor er 1924 seine eigene Firma, die Erfurter Maschinen- und Werkzeugfabrik Berthold Geipel GmbH gründete.
Nach Kriegsende folgte 1950 die Neugründung unter dem Namen ERMA - Werke in Dachau. Dort produzierte man unter anderem verkleinerte Nachbauten bekannter Faustfeuerwaffen als Kleinkaliber,- und Schreckschusspistolen.
Und so gab es auch ein Modell das optisch an die 6,35 mm Browning Pistole von Ortgies angelehnt war.
- Erma ep.25 in einem Katalog, Anfang der 70ér Jahre -
Bei der Erma ep .25 handelt es sich um das dritte Pistolenmodell, welches nach der Neugründung in Serie produziert wurde. Ihr gingen zwei Prototypenversuche mit der Bezeichnung Erma ep 2 vorraus. Wie eingangs geschrieben, wurde die Erma nur optisch an die Ortgies angelehnt und einige erkennungswichtige Details übernommen. Vom Aufbau weicht sie jedoch in vielen Punkten vom eigentlichen Vorbild ab.
So besitzt die Erma z.B. nicht die Ortgies-typische Handballensicherung, sondern einen kleinen Hebel auf der linken Seite des Griffstückes zwischen Abzugbügel und Griffschalen. Diese Art der Sicherung, die direkt auf den Abzug wirkt, findet man recht oft bei Taschenpistolen diesen Kalibers aus den 60/70'er Jahren. So z.B. auch bei der Reck P8 oder der Rhöner SM 115. Desweiteren besitzt die Erma ep .25 noch eine Schließsicherung, sowie eine Magazinsicherung. Auch diese kam bei der Ortgies (bis auf dem Prototypen) nicht vor.
Desweiteren erfolgt die Demontage in einem komplett anderem System. Während bei der Ortgies, nach dem Lösen, der Verschluss schräg über dem Lauf gezogen wird, und anschließend durch eine 90 grad Drehung des Laufes, dieser aus dem Griffstück entnommen werden kann, wird bei der ep. 25 der Verschluss samt Lauf als eine Einheit vom Griffstück abgezogen.
Das Magazin ist nahezu baugleich zu dem der Ortgies und weicht nur durch ein paar hundertstel Millimeter von diesem ab. Und auch die Griffschalen sind identisch zum Vorbild angebracht und weisen dadurch die gleichen Schwachstellen auf. So bricht bei unsachgemäßer Demontage schnell die Haltenut der Griffschale auf. Die Griffschalen gab es in zwei Versionen. Eine aus braunem Kunststoff und eine aus Nussbaum, welche wie die Ortgies, Griffmedaillons mit passendem Firmenlogo enthalten.
Ein wichtiger Unterschied der Erma zur Ortgies wäre noch die Tatsache, das bei der ep .25 zwei Schrauben verbaut wurden, während die Ortgies Pistolen komplett ohne aus kommen. Bei den beiden Schrauben handelt es sich einmal um eine Madenschraube, die als Gegenlager zur Feder des Sicherungshebel eingefügt wurde, sowie eine zur Fixierung der Feder des Zerleghebels.
Die Erma ep .25 wurde von 1967 bis 1974 produziert und weist eine insgesamte Stückzahl von 24.687 Pistolen auf.
Ausgeliefert wurden sie in weißen Kartons mit Aufruck der ep .25, einschließlich Beschriftung, sowie blauem Erma Logo auf dem Deckel. Die Kartons beinhalteten eine zweiteilige Styroporeinlage mit passgenauen Aussparungen für die Waffe sowie der Möglichkeit der Unterbringung eines zusätzlichen Magazines. Die Gebrauchsanweisung bestand nur aus einem einfachen Zettel. Dieser war in den Sprachen deutsch und englisch doppelseitig bedruckt und gefaltet.
© Natoversand.de
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Für den Export nach Amerika gab es zwei baugleiche Schwesternmodelle der ep .25, die je nach Imorteur unterschiedliche Namen erhielten..
Zuerst vermarktete die Firma L.A. Distributors ihre Erma unter der Modellbezeichnung "FB-1". Diese wurden von 1968 bis 1971 von Erma produziert und in Kunstleder bezogenen Pappkartons mit golden aufgeducktem Erma Logo verkauft.
Ab 1971 fertigte Erma dann die ep .25 für R.G. Industries, die eine Tochterfirma der deutschen Röhm GmbH war.
Diese brachten die Pistole unter der Kennzeichnung "RG - 42" auf den Markt.
- amerikanische Anzeige mit Produkten von Erma, die ep. 25 ist unten links zu sehen -
In Kunst & Kultur
In der deutschen Serie "Babylon Berlin", deren Handlung sich um das Jahr 1929 dreht, sieht man einige zeitgenössische Faustfeuerwaffen wie die Luger 08, J.P. Sauer & Sohn mod. 1926, die Lignose 3A, etc.
Und auch die Ortgies kommen darin vor.
So benutzt Svetlana Sorokina, gespielt von Severija Janusauskaite eine Ortgies im Kaliber 6,35 mm Browning. Diese sieht man in einer Einstellung vor einem Zugwagon sehr gut. Und auch die Dienstpistole von Bruno Wolter's ist eine Ortgies im Kaliber 7,65 mm Browning. Diese wird in der ganzen Serie ein paar mal kurz gezeigt und hat ihren besonderen Auftritt im Showdown am Ender der zweiten Staffel.
In der Kurzgeschichte "A perfect day for Bananafish" von J.D. Salinger wird der Suizid des Kriegsveteranen Seymour Glass thematisiert. Dieser erschoss sich selbst mit einer Ortgies.
In dem sowjetischen Stummfilm "The Doll with Millions" sieht man wie Paul Cuisinai, gespielt von Vladimir Pavlovich Fogel sich eine Ortgies an den Kopf hält und dies als Selbstmordversuch gedeutet wird.
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Die Szene ist auf diesem Youtubevideo ab der Minute 7:54 zu sehen.
Quellen:
• ORTGIES von Donald W. Koelliker
in Gun Collector's Digest
3. Auflage (c) by DBI Books, Inc., Northfield,
Illionois, USA, S. 79 - 87
• The Ortgies Pistol
von Ed Buffaloe und Stafan Klein
(abgerufen am 10.04.20)
• Erma & Feima
Berthold Geipel und seine Erfurter Waffenfabriken
Werner Limbrecht, 3. überarbeitete und ergänzte Auflage 2013, Seiten 7 - 10
• 75 Jahre Polizeibeamtenverband der Stadt Winterthur 1907-1982.
Cicero-Verlag AG Zürich 1982, S. 79-81.
• Waffen Revue Nr. 95 & 96
• www.liveauctioneer.com (abgerufen am 30.10.20)
• wikipedia Alfred Wünnenberg
(abgerufen am 30.10.20)
• icollector.com (abgerufen am 02.11.20)
• miniglobetrotter.de (abgerufen am 02.11.20)
• www.ifmdb.org (abgerufen am 17.01.20)
• Taschenpistolen Taschenrevolver
Visier Special Nr. 52
Seite 13 - David Th. Schiller
• Die Maßnahmen der Interalliierten Militär - Kontrollkommission gegen die Deutsche Werke A.G.
Herausgegeben von den Spitzenverbänden der Deutschen Gewerkschaften
Berlin im November 1921
• Die Erzeugnisse der Erfurter Maschinenfabrik ERMA
Holger Schlemeier ,1. Auflage, dwj Verlags - GmbH
Vielen Dank:
an Frau Lüttringhaus vom Stadtarchiv Winterthur
Herrn Giersch, Polizeihistorische Sammlung, Museum Berlin
Dirk vom Militariafundforum für das Bild vom Soldbucheintrag
Herrn Zeiselmeier von Sport-Jagdwaffen Zeiselmeier
sowie "Sauerfan" für das zusenden vom Gewerkschaftsschreiben