Blankwaffen
Das Thema der durch die Gewehrfabrik hergestellten Handfeuerwaffen ist sehr groß. Eine detailgetreue Beschreibung dieser mit zusätzlichen Bildern ist im Moment noch nicht möglich und würde vorerst auch den Rahmen dieser Seite sprengen. Selbstverständlich werde ich versuchen, dies zu einem späteren Zeitpunkt zu realisieren.
Am Anfang wird sich diese Unterseite erstmal nur mit den Seitengewehren beschäftigen, die in der Königlich Preußischen Gewehrfabrik Erfurt montiert wurden.
Als Blankwaffen werden überwiegend Hieb,- und Stichwaffen bezeichnet.
Neben der Funktion als Handwaffe, wurden diese auch als Werkzeuge eingesetzt und waren zudem, auch außerhalb des Militärs, wichtige Statussymbole.
Neben den Handfeuerwaffen waren Blankwaffen eine wichtige Einnahmequelle der Erfurter Gewehrfabrik. So wurde besonders in konjunkturschwachen Jahren, der Fokus auf Reperaturarbeiten vorhandener Waffen und die Herstellung von blanken Waffen gelegt. Das zeigt sich so zum Beispiel am Infanterie Offiziersdegen 1889. Nach dem Produktionsende des Gewehr 88 im Jahr 1991 folgte vermutlich ein größerer Auftrag für diesen Degen. Denn der Großteil, der mir bisher untergekommenen IOD`s 89 aus Erfurt, haben Militärfiskalische Abnahmestempel von 1893, welche auf eine Fertigungszeit zwischen 92 und 93 schließen lassen. Dies konnte ich so ebenfalls bei allen Hessischen Offiziers Säbeln, welche in der Gewehrfabrik Erfurt montiert wurden, fest stellen.
Ebenfalls war eine wichtige Aufgabe der staatlichen Gewehrfabriken, das erstellen von Muster,- und Versuchsseitengewehren.
Die Komponenten wurden durch Firmen, meist aus Solingen, zugeliefert (so z.B. beim Seitengewehr der Landgendarmerie erst durch P.D. Lüneschloss, später auch durch Weyersberg Kirschbaum & CIE.) und kamen dann zur Endmontage in die Gewehrfabrik Erfurt. Des Weiteren wurden in regelmäßigen Abständen Kammerstücke der Armee in Erfurt überholt. Aus diesen Gründen findet man auf solchen Waffen, auf dem quartseitigen Klingenkopf den Hersteller der Klinge und auf dem terzseitigen Klingenkopf das Logo der Gewehrfabrik Erfurt, häufig auch als Arsenalmarke beschrieben.
Alle hier zu sehenden Blankwaffen wurden in der Königlich Preußischen Gewehrfabrik Erfurt montiert. Diese stellten nur bis ins Jahr 1915 Seitengewehre her. Danach wurde die komplette Produktion kriegsbedingt auf Handfeuerwaffen umgestellt.
Da auf den Tüllenbajonetten der Zündnadelgewehre keine Herstellerangaben zu finden sind, stelle ich hier ausschließlich die Griffbajonette, Degen und Säbel vor die über die Kennzeichnung "Erfurt" verfügen.
Als Anmerkung muss ich hier noch einfügen, das meine persönliche Sammlung bisher noch sehr klein ist und auch noch einige wichtige Belegstücke fehlen. Deshalb hier noch eine Auflistung, der, in der Königlich Preußischen Gewehrfabrik hergestellten Blankwaffen.
Bajonette & Seitengewehre
- Dillenbajonett M 62
- Infanterie SG 71
- SG 71/84
- Hirschfänger M 71
- Seitengewehr der Landgendarmerie
- Seitengewehr für Fahnenträger
- SG 98
- KS 98
- SG 98/02
- SG 98/05
- SG 84/98
Säbel & Degen
- Infanterie Offiziersdegen M 89
- Kavallerie Degen M 89
- Artillerie Säbel
- Hessischer Offiziers Säbel
Faschinenmesser
- Pionier Faschinenmesser M 71
kleine Stempelkunde
Alle Blankwaffen der Königlich Preußischen Gewehrfabrik Erfurt sind Kammerstücke. Das heisst, sie wurden direkt fürs Militär produziert und von den Waffenkammern ausgegeben. Deshalb findet man zahlreiche Stempel auf diesen, auf die ich vorweg gerne eingehen würde um z.B. Sammlerneulingen und Interessierten einen kurzen Überblick zu verschaffen und um die nachfolgenden Bilder leichter zu verstehen.
zu sehen sind hier die Stempel auf einem Seitengewehr 98/05 alter Art.
Militärfiskalischer Stempel
Herstellerstempel
Truppenstempel
Diese Stempel sind eine Wissenschaft für sich. Sie bestehen meist aus einer Zahlen und Buchstabenkompination, die entschlüsselt meist die Regimentnummer, Waffengattung, Kompanie und Waffennummer preis geben. Die Waffengattungen werden durch Buchstaben verdeutlicht und die Waffennummern wurden kleiner als der Rest gestempelt. Alle Angaben wurden immer durch einen Punkt getrennt.
Bei diesen Stempeln muss man vorallem darauf achten nach welcher Vorschrift die Waffenmeister stempelten und oftmals abgleichen ob die vorliegende Blankwaffe überhaupt bei der entschlüsselten Einheit geführt wurde.
Dieser Stempel bedeutet Lothringisches Fussartillerie Regiment Nr. 16, 9. Batterie, Waffe Nr. 139
Abnahmestempel
Infanterie - Seitengewehr M 1871
W78, Lederscheide,
Klingenhersteller Weyersberg,
Nummerngleiche Regimentstempel
des 6. Badischen Infanterie-Regiment
"Kaiser Friedrich III" Nr. 114, Ersatz-Bataillon, 3.Kompanie, Waffe Nr. 204
Seitengewehr 71/84
W87, Lederscheide, Koppelhaken gebrochen, kurze Holbahn, Klingenhersteller Weyersberg Kirschbaum & CIE, gelöschter Regimentstempel des 3. Niederschlesischen Infanterie - Regiment Nr. 50, 6. Kompanie, Waffe Nr. 24
Zum Vergleich noch ein zweites 71/84 mit langer Hohlbahn.
W89, ohne Scheide, lange Hohlbahn,
Klingenhersteller Weyersberg Kirschbaum & CIE, Regimentstempel des Train - Bataillon Nr. 15, 3. Sanitätskompanie, Waffe Nr. 166
Infanterie Offiziers Degen M 1889
W 93, Mundblech beschnitten,
Klingenhersteller Carl Eickhorn, Regimentstempel des
4. Badischen Infanterie - Regiment
"Prinz Wilhelm" Nr. 112 , 6. Kompanie,
Waffe Nr. 3
Kavallerie Degen M 1889
W 97, lackierte Scheide,Kunststoffgriff, Klingenhersteller Otto Mertens, anstelle des Regimentstempels steht die Zahl "18" vermutlich als alleinstehende Waffennummer
Preußischer Artillerie Säbel
(Neuer Art)
W 99, ohne Scheide,
Griffbeleder,- und Wicklung fehlt,
Klingenhersteller P.D. Lüneschloss, Regimentstempel des 1. Garde-Feldartillerie-Regiment, 9. Munitionskolonne, Waffe Nr. 16
Versuchsseitengewehr KS 98
In allen königlich preußischen Gewehrfabriken wurden unter anderem auch
Versuchs,- und Musterseitengewehre gefertigt.
So beschreibt Jens Wiesberger in der Ausgabe 463 der Zeitschrift für Heereskunde ein Versuchsseitengewehr K.S. 98 für die Kavallerie.
Die Gewehrfabrik Erfurt fertigte 100 Stück dieser verkürzten KS 98 ohne Sägerücken für den Truppenversuch an. Dieser fand vermutlich Ende März 1908 unter der Teilnahme von 10 Kavallerie - Regimentern statt.
Aktuell sind von diesen 100 Stück nur 2 Exemplare bekannt, welche sich in Sammlerhänden befinden.
Seitengewehr 98/05
(Alter Art)
alter Art, W 07, Lederscheide, Sägerücken,
Regimentstempel der Königlich Preußischen Eisenbahn - Bau - Kompanie Nr. 22, Waffe Nr. 34
Seitengewehr 84/98
(Alter Art)
W 88, Lederscheide geschrumpft,
kurze Hohlbahn,
Klingenhersteller Alex Coppel Solingen,
Nicht nummerngleiche Regimentstempel 9.R.5.121 auf dem SG, 51.R.8.83 auf der Scheide
Zum Vergleich noch ein zweites 84/98 a.A. mit langer Hohlbahn.
W89, nicht zugehörige Aushilfsscheide eines spanischem M 1983, lange Hohlbahn, Klingenhersteller Weyersberg Kirschbaum &CIE, Regimentstempel des Reserve - Infanterie Regiment Nr. 36, 11. Kompanie, Waffen Nr. 45
Seitengewehr 84/98
(neuer Art)
W 15, Metallscheide, Feuerschutzblech,
SG - Tasche und Troddel für Mannschaften,
9. Kompanie (Schieber fehlt).
Hessischer Infanterie Offizierssäbel
geschwärzte Stahlscheide, Fingerschlaufe gerissen, Regimentsstempel 138.1.2.2
Wichtige Anmerkung:
Dieses Stück wirft einige Fragen auf.
Es handelt sich anscheinend um ein überarbeitetes Eigentumsstück. Totz Kammerstempel befinden sich keine weiteren Abnahmestempel auf anderen Teilen, was für "Erfurt" recht ungewöhnlich ist.
Der Regimentstempel widerspricht ebenfalls den Vorschriften.
Man könnte ihn aber als I.R. 138. 1. Battaillion,
2. Kompanie, Waffe Nr. 2 deuten.
Bei der Gründung des Regiments wurden den 4 Feldwebeln des 1. Battaillions vom Großherzog Ludwig VI. Hessische Offizierssäbel geschenkt.
Fälschungen
Ich möchte beim Hessischen Offizierssäbel nicht ausschließen, dass es sich bei diesem vllt um eine Fälschung handeln könnte.
Da die Gewehrfabrik Erfurt ein sehr bekannter Hersteller von Blankwaffen war, tauchen hin und wieder auch Fälschungen auf. So werden gerne Eigentums,- oder Exportstücke nachgestempelt, da preußische Kammerstücke deutlich höhere Preise bei Auktionen erzielen.
Hier ein Beispiel einer solchen Nachstempelung:
Es handelt sich augenscheinlich um ein Seitengewehr 84/98 n.A. mit Säge welches 1915 abgenommen und in der Gewehrfabrik Erfurt montiert wurde. Klingenlieferant war Eickhorn. Sämtliche Fehler die auf eine Fälschung hinweisen, werde ich anhand der Fotos verdeutlichen.
Quellen:
• Preußisch-deutsche Seitengwehre 1807 - 1945, Band 1 - 5 Rüdiger W.A. Franz, Journal-Verlag Schwend GmbH
• Die Blankwaffen der Kaiserlichen Gendarmerie - Brigade in Elsaß - Lothringen, Rolf Selzer, 2006
• Kgl. Preuss. Gewehrfabrik Erfurt
Werner Limbrecht, Verlag Rockstuhl, 2. überarbeitete Auflage 2017
• Handbuch deutscher Waffenstempel
auf Militär und Diensthandwaffen 1871 - 2000
Albrecht Wacker & Joachim Görtz, VS-BOOKS Carl Schulze &
Torsten Verhülsdonk GbR, 2005
• Die kurzen Seitengewehre 98 für Kavallerie im Truppenversuch 1908
Jens Wiesberger, Zeitschrift für Heereskunde,
Ausgabe 463, Januar/März 2017
- Fotokarte, Adolf Kilian, Photograph Erfurt, Regierungsstr. 21/22 -
Darauf zu sehen sind Angehörige des 1. Thüringischem Feldartillerie Regiment Nr. 19 Erfurt in Vorkriegsuniform und feldgrauer Kriegsmontur. Von links: Unteroffizier, Unteroffizier mit Portepee / Feldwebel und zwei Mannschaften, alle mit preußischen Artillerie Säbeln.
Vielen Dank an Sleepwalker und Preuße vom Militaria - Fundforum für die Unterstützung bei der Auflösung einiger Truppenstempel; kuerassier, kontingentstruppen und besonders wilhelm02 für die Hilfe bei aufgekommenen Fragen der Uniformen; sowie Sebastian Thiem für viele geschichtliche Informationen und neue Sichtweisen und Jens Becker für sein umfangreichenes Fachwissen.